Ästhetik der Krise – eine Werkschau

Ob als stakkatohaftes Reenactment von Wetterberichterstattung und Regierungserklärung, als raumgreifende, körperliche Bilderflut, als poetische Weltuntergangsphantasie oder als vielstimmiger, wütender Abgesang – die Werkschau „Ästhetik der Krise“ zeigte in szenischen Lesungen, performativen Interventionen, spartenübergreifenden Projekten, Hörinstallationen und Ausstellungen ästhetischen Annäherungen an die Klimakatastrophe. Dabei thematisierte die Werkschau einerseits die Herausforderung dem vermeintlich „Undarstellbaren“ künstlerisch habhaft zu werden und eröffnete andererseits Fragen nach Verantwortung und konkreter Handlung.

Als Eigenbeiträge mit dabei:

Und alle Tiere rufen: dieser Titel rettet die Welt auch nicht mehr (monkey gone to heaven) – ein requiemmanifesto of extinction
von Thomas Köck
Nach der Klimatrilogie („paradies fluten, paradies hungern, paradies spielen“), mit der der Autor Thomas Köck noch zum Aktivismus bewegen und Hoffnung geben wollte, ist sein Text „und alle tiere rufen:…“ eine Weissagung auf das Artensterben. Hier soll nicht mehr zum Nachdenken angeregt, keine Erklärung gesucht, keine Empfehlungen mehr ausgesprochen werden. Auf seine ihm eigene Art der ebenso rhythmischen wie musikalischen Sprache lässt Köck sämtliche, meist von Europäern im Zuge ihrer Expansionen, bereits vernichteten Tierarten in einem Erinnerungsstrom an den Zuschauer*innen vorbeiziehen. Ein Echo aus der Zukunft, die unumstößlich scheint.

Mit: Paul Langemann, Klaus Müller, Pascal Riedel
Szenische Einrichtung: Nicole Schneiderbauer
Regieassistenz: Marlies Grasse

DANCE OF FUTURE PAST
interior landscapes of dystopia – exterior landscapes of dystopia
Tanz ist politisch. Den Beweis liefert diese zweiteilige sich erweiternde Performance, in der sich Tänzer*innen des Ballett Augsburg choreografisch mit den Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung auseinandersetzen. In dem Teil der Choreografie, der auf der Probebühne im martini-Park stattfindet, wird die Innensicht des Prozesses beleuchtet und eine fluide Kreatur geschaffen, die dystopische Bilder entstehen lässt und sich wieder einverleibt. Ein ewiger Kreislauf aus Schöpfung und Zerstörung. Die tänzerische Intervention auf der Vermittlungswiese fokussiert sich auf das Zusammenspiel von Menschen mit der Natur, unserer Umwelt. Wie verändert sich auch der menschliche Körper, wenn die Erdoberfläche, die Lebensbedingungen und Landschaften immer unwirtlicher und toxischer für uns werden? Dieser Frage und vielen weiteren wird mit performativen und tänzerischen Elementen spielerisch nachgegangen.

Entwickelt in Kollaboration mit den Tänzer*innen:
Brandi Paulina Baker, Ana Isabel Casquilho, Franco Ciculi, Martina di Giulio, Terra Hunter Kell, Giovanni Napoli, Afonso Pereira, Martina Piacentino, Cosmo Sancilio, Jayson Syrette, Yeonjae Jeong
Konzept: Pia Girard, Gonçalo Martins da Silva, Adrià Vilar Algueró, Emily Wohl
Kuration: Nicole Schneiderbauer

Animals Act!
Eine Stückentwicklung des Club Z
„Probleme so hoch wie ein Eisklotz und keine Lösungen!“ Von den rappenden Eisbären am Nordpol bis zu den tanzenden Kängurus in Australien – alle Tiere der Welt haben die Nase voll von der Untätigkeit der Menschen. Die Lösungen liegen auf der Hand, aber alleine können sie nichts ausrichten. Deswegen machen sich die Tiere auf die Reise ihres Lebens. Für alle ab 6 Jahre.

Mit: Luisa Sailer, Kani Bamerny, Pauline Fend, Charlotte Wahl, Luise Wahl, Antonia Rudolph, Lilly Sailer, Jakob Dänner, Aurel Huber, Moritz Weinold (Theater- und Musikclub Z des Staatstheater Augsburg)
Inszenierung: Anna-Sophia Kraus
Stückentwicklung: Mitglieder des Club Z, Alina Wenisch, Anna-Sophia Kraus
Veranstaltungstechnik: Philipp Dahlke, Wolfram Obermeyer

Auszug aus „Garland“
von Svenja Viola Bungarten
Wir befinden uns in der nicht allzu fernen Zukunft, irgendwo im mittleren Osten von Amerika, oder Europa, oder der Sahara. Die (Umwelt-)Katastrophe ist jedenfalls allgegenwärtig: die Erde ausgetrocknet, die Sonne brennt vom Himmel, keine frische Brise, die Abkühlung verschafft. In diesem Szenario einer ländlichen Komödie, einer Klimatragödie, einer Zauberer-von-Oz-Posse versuchen die verschiedenen, skurrilen Figuren des Stücks gegen alle Widerstände ihr Glück zu finden und den Humor nicht zu verlieren. Denn darum geht es schließlich: Aufgeben ist keine Option, auch wenn die Probleme übermächtig sind.

Mit: Natalie Hünig, Thomas Prazak, Kai Windhövel, Gerald Fiedler, Patrick Rupar
Szenische Einrichtung: Nicole Schneiderbauer
Regieassistenz: Marlies Grasse

Chor der Wissenschaftler*innen
Kurze Intervention aus „Freitags vor der Zukunft“
von Matthias Naumann (Futur II Konjunktiv)
Das Auftragswerk „Freitags vor der Zukunft“ des Theaterkollaborativs Futur II Konjunktiv setzt sich mit der Dringlichkeit unverzüglichen klimapolitischen Handelns auseinander.
Der Klimawandel bedroht unser aller Leben und doch tangiert er vielfach unser Bewusstsein und Verhalten nicht. Wir handeln nicht so, wie wir es angesichts der rasanten Zerstörung der Umwelt müssten. Was hindert uns? Wie setzen wir den Willen, unseren Wohlstand, das technische Niveau und unseren Alltag aufrechtzuerhalten, in ein Verhältnis dazu, dass die derzeitige Ausbeutung und Zerstörung der Natur nicht so weitergehen kann, sofern wir als Menschheit überleben wollen?

Mit: Elif Esmen, Gerald Fiedler, Florian Gerteis, Christina Jung, Patrick Rupar
Regie: Johannes Wenzel

Als Gastspiele mit dabei:

Das Junge Theater Augsburg präsentiert: Lilu feiert Geburtstag – und Plastik feiert mit
Lilu freut sich, denn ihre Geburtstagsparty ist wie immer wunderschön: bunt, lustig, mit vielen Gästen und Geschenken! Aber hinterher vergeht Lilu die Partylaune: Vor ihr türmt sich ein riesiger Berg auf – aus ihrem eigenen Plastikmüll! Sie erschrickt und fragt sich: Wohin geht das ganze Plastik eigentlich, wenn wir es nicht mehr brauchen? Sie macht sich auf die Spurensuche, landet in einer geheimnisvollen Unterwasserwelt und begegnet dort seltsamen Geschöpfen… Altersgerecht, mit viel Humor, eigens komponierter Livemusik, animierten Plastikgeschöpfen und viel Fantasie laden wir die Kinder ein, sich auf ein ernstes und zukunftsweisendes Thema einzulassen: den Klima- und Umweltschutz. Für alle ab 7 Jahren.

Regie: Gianna Formicone
Spiel: Marina Lötschert
Livemusik: Lilijan Waworka
Konzeption Workshop: Julia Magg
Künstlerische Leitung: Susanne Reng

ANTHROPOS, TYRANN (ÖDIPUS)
von Alexander Eisenach
Die Tragödie des Anthropos ist die Tragödie des Menschen, der sich als unangefochtener Herrscher über den Planeten wähnte und seine Tyrannei ständig ausdehnte, bis er jeden Bereich des terrestrischen Lebens als Ressource ausbeuten konnte. Jetzt, da wir einer globalen Katastrophe entgegenblicken, weisen die Finger der Seher auf uns. Wir selbst sind die Schuldigen von Pandemien und Klimapest.
Die szenische Lesung geht hervor aus einer Inszenierung an der Volksbühne Berlin. Gemeinsam mit der Klimaforscherin Antje Boetius, die in der Inszenierung als Priesterin des Orakels von Delphi auftrat, stieg das Ensemble in die Tiefen von Mythos und Erdgeschichte, um an den tektonischen Verwerfungen des Verhältnisses von menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren zu forschen. Diese Arbeit wird fortgesetzt und weiterentwickelt. Die Lecture findet in immer neuen Konstellationen und Transformationen statt.

Mit: Johanna Bantzer, Sarah Franke, Vanessa Loibl und Emma Rönnebeck
Live-Musik: Sven Michelson
Regie: Alexander Eisenach

Frau H🔥lle
Lynn Takeo Musiol kommt aus einer Arbeiter*innenfamilie der Chemie-Stadt Leverkusen.
„Wenn du dich genug anstrengst, kannst du alles schaffen“, hatten ihre*seine Eltern gesagt. Inzwischen ist sie*er Teil einer privilegierten, urbanen Mittelschicht. Durch die Beschäftigung mit dem Klimawandel wird nicht nur ihr*sein Verständnis von Wohlstand und Fortschritt in Frage gestellt, sondern auch die von ihrer*seiner verinnerlichten Erzählung von gesellschaftlichem Aufstieg. Sie*er ahnt: Je erfolgreicher der Aufstieg, desto größer der Anteil an der Zerstörung der Welt.
Lynn Takeo Musiol zeigt einen Auszug aus der Arbeit „Frau H🔥lle“ des Performancekollektivs les dramaturx, die im Herbst 22 auf dem ReEDOcate ME! Festival in der Floating University Berlin zu sehen sein wird.
les dramaturx ist ein Performance-Kollektiv der Dramaturg*innen Lynn Takeo Musiol und Christian Tschirner. Sie sind mit Fragen der Weltwahrung ebenso beschäftigt wie mit der Prosa der Verhältnisse. Ihr Motto „Gemeinsam sind wir gemeiner“ haben sie dem Magazin EmanzenExpress von 1986 entlehnt. Ihre erste Arbeit Bitter Fields hat beim Festival OSTEN im Juli 2022 Premiere. Current Mood: 👨🏽‍🌾

Von und mit: Lynn Takeo Musiol

flüchtiges eis
nachrichten von morgen
Der Rückgang der Gletscher ist eines der sichtbarsten Zeichen der Klimakrise. Die Beschleunigung, mit der die Schmelze stattfindet, schockiert alle, die hinsehen und fordert zum Handeln auf.
„flüchtiges eis, nachrichten von morgen“ ist eine zeitgenössische Revue, ein atmosphärisches, musikalisches Ereignis. Ausgehend von einer Eiskernbohrung auf dem Colle Gnifetti 4450 müM im Monte Rosa Gebiet wird von der Vergänglichkeit und von einer Zukunft mit Zukunft erzählt. Wer den Abend erlebt, begegnet mythologischen Gestalten, hinreissenden Pop Songs, Momenten purer Wissenschaft, dem sturen Optimismus, wird einen QR-Code aufrufen und erfährt Verbundenheit und Vereinzelung. Singt, feiert, trauert und wird mit dem Wissen rausgehen, dass wir unsere gemeinsame Zukunft – noch – bestimmen können.
http://www.fluechtigeseis.ch/

Spiel: Marie Gesien, Regula Imboden und Stoffl Rath
Live Sound: Knut Jensen
Regie & Konzeption: Sabine Harbeke
Bühne: Laura Knüsel
Kostüm: Jimena Cugat
Licht: Ursula Degen
Wissenschaftliche Mitarbeit: Prof. Dr. Margit Schwikowski

„Wie Plastik mein Leben veränderte - Story of a Ranger“
Performance
Der Stillstand der Pandemie sortierte das Leben des gebürtigen Augsburgers Daniel Breitfelder neu. Während die Theater geschlossen blieben, begann der Künstler und Schauspieler, die zwölf Kilometer lange Strecke des Bonner Rheinufers täglich zu säubern. Es entstand eine klimaaktivistische Kunstfigur: der RHEIN RANGER. Als dieser setzt sich Breitfelder für die Verbreitung des Bewusstseins ein, dass es den Menschen möglich ist, durch ihre Konsumentscheidungen den Klimawandel aktiv aufzuhalten. Es zog unweigerlich eine radikale Umstellung seines Lebens mit sich: vegan, verpackungs- und leder/tierfrei.
„Was es braucht ist eine Revolution, wir können nicht ewig auf die Politik warten.“ Jede*r Einzelne kann etwas bewirken. Neben der hohen regionalen Aufmerksamkeit sind bereits mediale Beiträge im WDR und ZDF entstanden. Im Sommer 2021 hielt der RHEIN RANGER einen TedTalk bei TEDXBonn. Wie ein Ranger etwa in den Nationalparks Kanadas sieht er sich als Hüter und Animator zum Schutz unserer Welt, in der wir gemeinsam, solidarisch, in Frieden miteinander und allen Lebewesen existieren wollen. Seine Aktionen sind von der Dringlichkeit und radikalen Notwendigkeit getrieben zu handeln: JETZT.

Konzept & Idee: Daniel Breitfelder
Künstlerische Leitung: Julie Grothgar

Opera und ihr Double
eine operative Installation basierend auf Texten und
Musik nach OPERA, OPERA, OPERA von Thomas Köck und Ole Hübner
Die Ausgangssituation in der ursprünglich als große Oper geplante Uraufführung „opera, opera, opera! revenants&revolutions“ könnte aktueller kaum sein: Weit in der Zukunft und nach einer umfassenden Katastrophe befindet sich ein Chor mit teilweiser Amnesie im Gespräch mit sich selbst und einem Cyborg darüber woher sie kommen und wohin sie gehen. Aus seinem trüben Gedächtnis erheben sich Fragmente, Heimsuchungen, individuelle wie kollektive Erinnerungen an echte und ersehnte Ereignisse. Plötzlich finden sich beide in der wüsten Kultur-Landschaft einer verlassenen und zerfallenen Opernbühne wieder.
Wegen der Covid-19 Pandemie konnte die Uraufführung im Rahmen der 2020er Münchener Biennale für Neues Musiktheater nicht wie geplant stattfinden. Das Regieteam rekonstruierte aus den Hinterlassenschaften und Fragmenten dieser Geisteroper eine immersive Video-Installation, die im März 2022 in München zu sehen war: Als Reise in eine Gegenwart, in der Zukunft vermeintlich nur als Katastrophe denkbar erscheint. In Augsburg ist die Installation nun als digital begehbare Simulation in einer Game-Engine erlebbar.

Kompositions- und Librettoauftrag der Landeshauptstadt München zur Münchener Biennale. Koproduktion der Münchener Biennale mit der Oper Halle. MDR KLASSIK Produktion von Auszügen der Oper, September 2020 in Halle.

Regie und Animation: Michael v. zur Mühlen
Raum und Ausstattung: Martin Miotk
Kamera und Schnitt: Stefan Bischoff